Talking Bedside Tables
Selten sind sie arrangiert wie ein Schaufenster, aber gerade in ihrer Nachlässigkeit erzählen sie eine Menge über den Menschen im Bett daneben: Nachttische im Krankenhaus. PD Dr. Alexander Rösler, Chefarzt der Geriatrie im Agaplesion Bethesda Krankenhaus Bergedorf, gefielen die „sprechenden Nachtschränke“ in seiner Abteilung, und er bat die Photographin Claudia Guderian, einige dieser Tableaus festzuhalten.
Der Philosoph –
The Philosopher: No happiness without freedom
Die eiserne Disziplin mancher Patientinnen ist bewundernswürdig. Denn wer nach der Operation mit dem Laufenlernen wieder von vorn anfängt, muß lernen, sich auch über den kleinsten Fortschritt zu freuen. Auch das will gelernt sein. Es ist der Weg zurück ins Glück und in die Freiheit. Dazu am Rande: Essen, Trinken, Schnäbeln.
Wir schaffen das! – “We Can Do It!“
Dieser Nachttisch erzählt von der liebevollen Unterstützung der Angehörigen, die nicht nur frische Hortensien aus dem Garten, Lektüre und eine Illustrierte mitbringen, sondern durch anfeuernde Parolen den Übergang in eine neue Lebensphase erleichtern. Kleine Gesten, die im Krankenhaus eine große Wirkung entfalten.
Schmecken Hören Raten – Listen Taste Guess
So gesund wie die Bismarck’sche Quelle auch ist: im Ernstfall baut einen das amerikanische Supergebräu wieder auf. Seine rote Bauchbinde leuchtet so kräftig wie die Tomaten von daheim und der Einband des Rätselhefts. Mal ehrlich: hatte man sich nicht immer gewünscht, einmal unbegrenzt Zeit zum Rätselraten zu haben?
Der verplante Autor – Writer’s Block
„Ich muß es fertig kriegen …“ Dieser Autor hat sich offenbar vorgenommen, all das zu erledigen, was er in den vergangenen Monaten nicht geschafft hat. Seine Zeit im Krankenhaus ist alles andere als eine Auszeit. Vielmehr stapeln sich auf seinem Nachtschrank – vorwurfsvoll markiert – die Manuskriptberge, die überarbeitet werden sollen.
Der Fürst wacht – The Iron Chancellor
Ganz in der Nähe von Bethesda liegt Aumühle mit dem Stammsitz derer von Bismarck, die wegen ihrer reichlich sprudelnden Quellen geschätzt werden. Steht diese Flasche nicht trutzig auf dem Nachtisch wie ein veritabler Wächter vor der durstenden Patientin?
Herzlich geliebt – The Bear hugged Loved One
„Bear Hug“ nennen die Kanadier eine Super-Umarmung, die so innig ist wie die eines freundlichen Bären. Hier sitzt der Teddy auf einem roten Herzen, und außerdem haben die Lieben von daheim auch Astern, Cola und Knusper- Schokolade mitgebracht. Wenn das nicht hilft, ist noch Schmerzgel zur Hand. Ist wer unzufrieden?
Endlich Zeit für mich – Time for myself at long last
Krankenhauszeit ist eine Zeit des Übergangs vom Kranksein zur Genesung. Zeit, sich etwas Gutes zu tun. Zeit, ohne schlechtes Gewissen den ganzen Tag zu lesen, sich mit hübschen Blumen zu umgeben und den kleinen Tisch neben dem Bett in ein Kunstwerk zu verwandeln, an dem man sich freut. Das Auge heilt mit!
Was der Mann braucht – All a Man Needs
Taschenmesser … Ladekabel … Handy und Lektüre … Wer wird sich an Äußerlichkeiten festbeißen und behaupten, das hätte neben Maske, Wasserglas und Birne nichts zu suchen? Dem Mann geht es ums Wesentliche. Aber, handgeschriebene Worte, hastig weggelegt … wovon ist da still und heimlich eigentlich die Rede …?
Die Rätselraterin – The Cruciverbalist
Kate Middleton, Kopfhörer und Kaffeesahne … Alles verschwindet in blauem Dunst, wenn sich eine neue Rätselseite öffnet und die Patientin von früh bis spät in Atem hält.
Der Erbsenverächter – The Pea Loather
„Alles, bloß keine Erbsen …“ „Bleibt mir fort mit Erbsen …“ Essen spielt eine große Rolle im Krankenhaus, und wenn die Erbsen nicht schmecken, werden sie so gründlich aussondert wie bei Aschenputtel. In der farblichen Überzeichnung dagegen sind die aussortierten Erbsen das Gelbe vom Ei.
Die Rätselraterin – The Cruciverbalist
Kate Middleton, Kopfhörer und Kaffeesahne … Alles verschwindet in blauem Dunst, wenn sich eine neue Rätselseite öffnet und die Patientin von früh bis spät in Atem hält.
Keine Zähne, keine Zähne! – No Teeth, No Teeth
Ein Kuli und nichts zu beschreiben; ein Deckel und keine Flasche; ein Gebiß und kein Mund; ein Abführmittel, keiner, der es einnimmt; ein düsteres Getränk und ein Tupfer, der sein Werk getan hat …: so entfaltet dieses Vanitas-Stilleben des 21. Jahrhunderts in dunstigem Blau seine berückende ästhetische Wirkung.
Tomaten aus dem heimischen Garten – Tomatoes From The Home Garden
Auch wenn die Klinikküche auf alle Rücksicht nimmt und jeden Tag vegetarische und vegane Speisen anbietet, geht doch nichts über die Tomaten aus dem eigenen Garten mit ihrem unverwechselbaren Duft. Liebe und Genesung gehen eben durch den Magen.
Der Apfel vom Baum der Erkenntnis – The Apple of Knowledge
Im Krankenhaus wird früh gegessen. Was aber, wenn einen mitten in der Nacht der Appetit überfällt? Da sticht die Eiserne Ration auf dem Nachttisch wie der Apfel vom Baum der Erkenntnis ins Auge. Und in den Schubladen mag sich noch manche Zauberspeise verbergen.